Kahlschlag verhindern – Gemeinsam gegen die Kürzungen des Senats!
Drs. IX-1070
Die Bezirksverordnetenversammlung unterstützt die Proteste gegen die Kürzungen im geplanten Nachtragshaushalt des Landes Berlin für 2024. Die Bezirksverordnetenversammlung teilt die Bedenken, kritisiert die geplanten Kürzungen des Landes und ersucht das Bezirksamt in vollem Umfang Klarheit über die Auswirkungen der geplanten Kürzungen herzustellen und sowohl die betroffenen Träger, Einrichtungen und Angebote als auch die Bezirksverordnetenversammlung unverzüglich zu informieren. Das Bezirksamt soll vom Senat eine Darlegung über die konkreten Auswirkungen des vorgeschlagenen Nachtragshaushalts, insbesondere in Bezug auf indirekte Kürzungen über die auftragsweise Bewirtschaftung und Zielvereinbarungen sowie kurz-, mittel- und langfristige Folgen und Nachteile für den Bezirk, verlangen.
Das Bezirksamt soll sich zudem gegenüber dem Senat für den Erhalt der bestehenden sozialen Infrastruktur einsetzen und gleichzeitig alternative Möglichkeiten im Bezirkshaushalt prüfen, wie der Fortbestand der im Bezirk angesiedelten und tätigen Einrichtungen und Angebote gesichert oder die Kürzungen so abgemildert werden können, dass eine Schließung und zu starke Reduktion wichtiger Unterstützungsangebote abgewendet wird. Dabei sind insbesondere solche Unterstützungsangebote zu fokussieren, bei deren Wegfall Folgekosten für den Bezirk absehbar wären. Das Bezirksamt hat sich insbesondere bei
- den im Bezirk ansässigen Angeboten und Einrichtungen im Bereich Soziales, Jugend, Gleichstellung und Kultur,
- den Unterstützungs- und Präventionsangeboten und -ketten, insbesondere im Rahmen der Obdachlosenhilfe, der Gesundheitsförderung und der Strategie zur Bekämpfung von Kinder- und Familienarmut,
- den Gewaltpräventionsprojekten,
- den im Bezirk ansässigen Bibliotheken und Musikschulen,
- der Tarifvorsorge bei allen Trägern und
- der Investitionsmaßnahme Grundschule Heinersdorfer Straße
dafür einzusetzen, dass die bestehenden und geplanten Maßnahmen fortgesetzt bzw. begonnen werden können.
Einreichende: BV Maria Bigos, BV Maximilian Schirmer
Begründung:
Das von CDU und SPD auf Landesebene selbstverursachte Haushaltschaos soll durch den härtesten sozialen und kulturellen Kahlschlag seit zwei Jahrzehnten aufgelöst werden. Die geplanten Kürzungen werden vor allem die Menschen treffen, die von sozialer Ausgrenzung bedroht und von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen sind. Mit den Kürzungen bei der Jugendarbeit, der Familienförderung, der Kita-Qualität, beim öffentlichen Nahverkehr, bei der Verkehrswende und Klimaanpassungsmaßnahmen wird auf Kosten der Zukunft eingespart. Die CDU-SPD-Koalition sagt darüber hinaus wichtige Investitionen bei Schulen ab und schöpft die Konjunkturkreditaufnahme im Rahmen der Schuldenbremse nicht aus.
Die Aussage, dass die Bezirke vom Kürzungsplan des Senats nicht betroffen seien, ist zurückzuweisen. Lediglich die ursprünglich geplante, pauschale Verpflichtung der Bezirke in zusätzlicher Millionenhöhe einzusparen und so zur Auflösung des hausgemachten Haushaltsdefizites des Senates beizusteuern, ist in letzter Minute vom Tisch gefallen. Die Bezirkshaushalte mögen also nicht betroffen sein, die Bezirke aber schon. Denn die geplanten Kürzungen werden sich direkt oder indirekt auf die bezirklichen Leistungen und/oder im Bezirk ansässige Angebote und Einrichtungen auswirken. Für Pankow ist bereits bekannt, dass bspw. dem Jugendnetzwerk Lambda – eine wichtige Anlaufstelle für queere Jugendliche mit langem Bestand in Pankow - nach aktueller Sachlage die Schließung droht. Bekannt ist ebenfalls, dass es Pankow insbesondere im Wohnbau treffen und das Vorhaben von 28.000 geplanten und dringend notwendigen Wohnungen nicht realisierbar sein wird. Zudem wird sich die zu entfallende Tarifvorsorge in Höhe von 50 Millionen Euro direkt auf die tarifvertraglich gebundenen freien Träger im Bereich Soziales, Bildung und Kultur auswirken und diese daraus folgend zu Einschränkungen der Angebote in den Bezirken und sogar zu Kündigungen gezwungen werden.
Darüber hinaus sollen über 9 Millionen Euro aus den geplanten Mitteln für gesamtstädtische Zielvereinbarungen gekürzt werden, obwohl im Rahmen der aktuell diskutierten Verwaltungsreform Zielvereinbarungen als ein zentrales Instrument gesamtstädtischer Steuerung verankert werden sollten. So sollen die Mittel zur Gewaltprävention deutlich abgesenkt werden, wovon nach aktuellem Stand auch die Straßensozialarbeit in der Jugendhilfe betroffen wäre. Darüber hinaus wird bei der Erhebung des Sanierungsbedarfs bei Jugendfreizeiteinrichtungen gekürzt und insbesondere bei den Zuschüssen für die freie Jugendarbeit wird mit insgesamt sieben Millionen Euro gespart. Zu klären wäre inwieweit sich der Rotstift auch auf die landesfinanzierten Familienzentren auswirkt, von denen es in Pankow vier gibt. Zur Debatte steht auch die Schulsozialarbeit, die erst kürzlich in Pankow durch das bezirkliche Rekordminus in Frage stand und letztlich durch eine Stellenumwandlung abgewendet werden konnte, wodurch die bezirklich Beschäftigten zu Angestellten der Senatsverwaltung für Bildung wurden.
Auch bei klimapolitischen Maßnahmen wie dem Berliner Programm für nachhaltige Entwicklung und der Städtebauförderung Nachhaltige Erneuerung soll massiv eingespart werden. Mit den Projekten für die dringend notwendige Verkehrswende trifft es einen weiteren sensiblen Bereich. Nicht nur wird bei der Verbesserung der Verkehrssicherheit für Radfahrende und Fußgänger*innen im Millionenbereich gekürzt. Verkehrliche Maßnahmen müssen insbesondere in Pankow immer im Kontext des Wohnungsbaus betrachtet werden, denn die Umsetzung von Verkehrsmaßnahmen ist die Voraussetzung dafür, dass die neuen Stadtquartiere erschlossen werden können. Für den Bezirk Pankow wären zudem die Kürzungen bei der Grün Berlin GmbH relevant, sowohl in Pflege als auch in Sanierungsvorhaben. Denn erst vor kurzem hat das Bezirksamt mit der Grün Berlin GmbH einen Vertrag zur Pflege des Mauerparks geschlossen.
Die landesseitigen Kürzungen treffen damit Finanzierungen, die in ihrer Umsetzung weit gefasst und aus denen die Bezirke in unterschiedlichen Höhen bezuschusst werden, so dass derzeit nicht konkretisiert ist, in welcher Höhe und Auswirkung indirekte Kürzungen für Pankow folgen. Darüber ist für Pankow schnellstmöglich Klarheit zu gewinnen. Es gilt zu klären, ob in Pankow ansässige Kultureinrichtungen von den Kürzungen im Bereich der Privattheater und bei den Zuschüssen für Bühnen und Tanz, sowie Einrichtungen der Literatur wie bspw. das Haus der Poesie in der Kulturbrauerei, wie sich das auf die kulturelle Gesamtlandschaft und das dazugehörige Angebot für die Pankower*innen auswirken wird. Bekannt ist bisher, dass die Kürzungen im Bereich Kultur zu einer Einschränkung des Theater- und Literaturprogramms der Brotfabrik führen könnten und dass auch die Musikschulen durch geringere Zuschüsse für Chöre und Orchester an ihrer Verwaltung werden sparen müssen, wenn sie diese noch erhalten wollen.
Auch andere wichtige Bildungseinrichtungen wie Planetarien sind betroffen und sollen eine halbe Million Euro weniger erhalten, wozu auch das Zeiss-Großplanetarium in Pankow als ein besonders renommiertes zählt. Von besonderer Bedeutung für Pankow wären auch bildungspolitische Maßnahmen wie Willkommensklassen, die nach aktuellem Stand ebenfalls und mit rund 250.000 Euro vom Sparzwang des Landes betroffen wären.
Derzeit finden noch Nachsteuerungsbemühungen statt, auf die für den eigenen Bezirk positiv Einfluss geübt werden kann. Einzelne Bezirke und auch betroffene Träger sowie Zivilakteur*innen sind bereits dazu übergangen diese Möglichkeit zu nutzen – im Schulterschluss. Pankow muss sich jetzt ebenfalls und vor allem für die soziale Infrastruktur stark machen und sich gegenüber dem Abgeordnetenhaus und dem Senat dafür einsetzen, dass es zu grundlegenden Änderungen im Nachtragshaushalt kommt, so dass Leistungen für Kinder, in der Bildung, die Unterstützung für wirtschaftlich schwache und benachteiligte Menschen sowie die Verkehrswende und Kultur grundlegend erhalten bleiben und notwendige Einsparungen sozial verträglich und mit Überprüfung der derzeitigen politischen Schwerpunktsetzungen erfolgen. Es muss auch auf die Freigabe derzeit zurückgehaltener Mittel gedrängt werden, wie sie bspw. in der Förderlinie Partnerschaft für Demokratie erfolgen, im Rahmen derer für Pankow 21.000 Euro vorgesehen sind.
Parallel muss im eigenen Haushalt geprüft werden, inwieweit Mittel zur Abfederung bedrohter Einrichtungen und Angebote umgeschichtet und genutzt werden können. Das dies trotz des bestehenden Defizits, Haushaltssperre und drohender vorläufiger Haushaltswirtschaft möglich ist und in einem Bereich auch umgesetzt wird, hat das Bezirksamt im Finanzausschuss vom 26.11.2024 bereits angezeigt. Zur Sicherung des Wissenstransfers über die parallele Anstellung von ausscheidendem Personal und deren Nachbesetzung konnten kurzfristig 610.000 Euro aus dem Haushalt zur Verfügung gestellt werden. Solche Bemühungen müssen sich auch auf andere, vor allem die besonders sensiblen Bereiche der bezirklichen Infrastruktur erstrecken und gleichzeitig eine verträgliche Priorisierung vorgenommen werden.