»100 Jahre Frauenwahlrecht«

Michael van der Meer

Zur Eröffnung der Sondersitzung der BVV im Großen Ratssaal des Rathauses Pankow


»In jeder Gesellschaft ist der Grad der weiblichen Emanzipation
das natürliche Maß der allgemeinen Emanzipation«

so zitiert Rosa Luxemburg Charles Fourier in ihrer Rede zum 2. Sozialdemokratischen Frauentag am 12. Mai 1912 in Stuttgart. Und sie fordert:

Her mit dem Frauenwahlrecht

Da war sie lange nicht die Erste. Schon eine frühe Forderung der Arbeitervereine war die nach dem Frauenwahlrecht. Aber erst 1891 nahm die SPD die Einführung des Frauenwahlrechts auch in ihr Parteiprogramm auf. Vor der Konferenz sozialistischer Frauen 1907 in Mannheim begründet Clara Zetkin in ihrer Rede: »Die Frauen fordern das Wahlrecht … auf Grund des demokratischen Prinzips in seiner weitesten Bedeutung. Nicht nur in dem Sinne, dass gleichen Pflichten gleiche Rechte entsprechen sollen, dass der Frau zum Zahlrecht auch das Wahlrecht gebührt: wir glauben es vielmehr der Gesellschaft schuldig zu sein, alle geistigen und sittlichen Kräfte unserer Eigenart entsprechend in dem Dienst der Allgemeinheit zu betätigen.«

Dabei wurde in Deutschland das Vereinsrecht nach dem Fall des Sozialistengesetzes nur zaghaft gelockert: Frauen durften zwar seit 1902 an Versammlungen teilnehmen, aber nicht reden! Das wurde ihnen erst 1908 erlaubt.

Ab wann Frauen in diesem Saal an Versammlungen teilnahmen und wann dann auch das Wort ergriffen? 

Belegt ist für die Jahre des I. Weltkrieges: Die Verwaltung habe ständig umgestellt werden müssen, weil die Aufgaben wuchsen und die meisten Beamten eingezogen waren. Ihre Stellen wurden mit weiblichen Hilfskräften besetzt. So erinnert Ernst Böhm, der 1. Direktor des 1920 gegründeten 19. Verwaltungsbezirks von Groß Berlin: »Die Arbeit war kaum zu bewältigen. Wenn ich nur an die vielen verschiedenen Lebensmittelkarten und Karten für Gegenstände des täglichen Bedarfs denke, deren Ausgabe immer schwieriger wurde, so tritt mir so recht grausam wieder das in jener Zeit herrschende Elend vor meine Augen. Schon morgens um 5 Uhr standen Hunderte von Kriegerfrauen auf der Straße vor dem Rathaus, um möglichst die ersten bei der Auszahlung der Unterstützung zu sein.«

Es waren die Frauen, die die schwersten Lasten des Krieges zu tragen hatten. Und nach dem Zusammenbruch der Monarchie war ihnen das Wahlrecht nicht mehr vorzuenthalten.

Folgerichtig verfügte am 12. November 1918 der Rat der Volksbeauftragten in seinem Aufruf an das deutsche Volk:

Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.

Und gestatten sie mir als kleinen Gruß an unsere zugreisten Schwaben: Es waren dann die Frauen in der Republik Baden, die zuerst wählen durften, am 5. Januar 1919, und am 12. Januar 1919 die in Württemberg.

Aber aktives Wahlrecht ist nicht alles. Wie sieht es aus, mit dem gewählt werden? In die erste deutsche Nationalversammlung wurden 37 Frauen gewählt, von 423 Abgeordneten waren das gerade mal 8,7%.

Inzwischen hat sich der Frauenanteil in den Parlamenten zwar erhöht, aber nach 100 Jahren Frauenwahlrecht ist er doch noch erschreckend gering, jüngst sogar rückläufig.
Auch in unserem Haus sind nur noch 21 der 55 Bezirksverordneten Frauen.
Wie bereichernd es ist, wenn wir auf die Quote setzen, können sie wenigstens bei drei der sechs hier vertretenen Parteien recht gut nachvollziehen.

Die Bezirksverwaltung ist den Parlamenten da schon ein gutes Stück voraus. Sogar mehr als 70% der Beschäftigten sind Frauen. Aber ein Armutszeugnis ist es doch, dass ihnen keine 50% der Aufwendungen für Dienstkräfte zufließen. Im Schnitt erreichen die männlichen Dienstkräfte unserer Bezirksverwaltung ein um 150 Euro höheres Einkommen, weil sie halt die höheren Tarif- und Besoldungsgruppen besetzen. Es gibt also auch hier noch viel zu tun.

Packt an, packt zu, Frauen und Mädchen!

Nehmt Euch, was Euch gehört. Von allem wenigstens die Hälfte, und die auch ganz.

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Michael van der Meer

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