Fragebogen des Sozialamtes Pankow

Kleine Anfrage: KA-0554/VIII

BV Maximilian Schirmer und Matthias Zarbock, Linksfraktion

Das Bezirksamt wird um folgende Antwort gebeten:

  1. Trifft es zu, dass das Sozialamt Pankow einen neunseitigen Fragebogen (Überschrift "Erklärung") mit 36 Fragen verwendet, um Ansprüche für Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz zu klären?
  2. Trifft es zu, dass dieser Fragebogen auf Deutsch verfasst ist und auf Deutsch beantwortet werden muss, obwohl die Zielgruppe der Natur nach nicht-deutschsprachiger Herkunft ist?
  3. Trifft es zu, dass die erste Frage lautet: "Welche Muttersprache sprechen Sie?"
  4. Trifft es zu, dass die Antragsteller Folgendes unterzeichnen müssen: "Verständigungsschwierigkeiten gab es keine" und "Übersetzungsfehler oder durch die Übersetzung bedingte Missverständnisse zu Lasten" des Erklärenden gehen?
  5. Hält das Bezirksamt diesen Umgang mit der Sprachproblematik für verantwortungsvoll?
  6. Trifft es zu, dass auf diesem Fragebogen auch nach der Religionsangehörigkeit gefragt wird? Warum?
  7. Trifft es zu, dass dieser Fragebogen nach einer detaillierten Schilderung von Fluchtursachen, Fluchtroute und Kontakt zu sogenannten "Schleppern" fragt?
  8. Aus welchem Grund werden diese Daten zur Flucht abgefragt?
  9. Ist dem BA bewusst, dass diejenigen, die mit diesem Fragebogen konfrontiert werden, derartige Auskünfte bereits ggü. dem BAMF und dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten abzugeben hatten und keine Kenntnis darüber haben, welche Daten dort zu diesen Fragen gespeichert werden?
  10. Warum muss mit der Unterschrift unter diese Erklärung die Einwilligung erfolgen, dass die "Ausländerakte" zur Einsichtnahme angefordert wird?
  11. Warum ist kein Datenaustausch mit den anderen Ämtern möglich – wohl aber die Belehrung, dass abweichende Angaben zu Sanktionen führen können?
  12. Ist sich das Bezirksamt seiner Fürsorgepflicht ggü. den Erklärenden ausreichend bewusst – hinsichtlich der Problematik, dass unterschiedliche Angaben in verschiedenen Datensammlungen verschiedener Ämter als unterlassene Mitwirkung gedeutet werden können?
  13. Was ist die rechtlich verbindliche / rechtssichere Definition des in der Erklärung ausführlich genutzten Begriffs "Schlepper" und wenn es keine gibt, wie sollen korrekte Angaben zu diesem Thema entstehen können?
  14. Ist das Bezirksamt der Überzeugung, dass Datenschutzgesetze für diejenigen nicht gelten, die diesen Fragebogen ausfüllen sollen? Wenn nein: Aus welchem Grund erfolgt kein Hinweis auf den Datenschutz? Wenn ja: warum nicht?
  15. Beabsichtigt das Bezirksamt, die offensichtlichen Mängel dieser Erklärung durch eine grundlegende Überarbeitung zu beseitigen?

Antwort des Bezirksamts

Abt. Jugend, Wirtschaft und Soziales

Zu 1.:

Gemäß der Empfehlung der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz vom 22.11.2002 (siehe Anlage) wird der Fragebogen, welcher durch den Berliner  Datenschutzbeauftragten geprüft wurde, zur Erhebung entscheidungsrelevanter Daten bei der Umsetzung des § 1a AsylbLG im Sozialamt Pankow genutzt.

Zu 2.:

Ja. In diesem Zusammenhang wird auf § 23 - Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) verwiesen, dem zufolge die Amtssprache deutsch ist. Überwiegend sprechen Antragsteller*innen in Begleitung von Dolmetscher*innen oder Bekannten mit Deutschkenntnissen vor. Soweit erforderlich stehen Mitarbeiter mit englischen bzw. arabischen Sprachkenntnissen zur Verfügung.
Bei Bedarf können Sprachmittler*innen eingesetzt werden.

Zu 3.:

Ja.

Zu 4.:

Ja.

Zu 5.:

Es wird auf die Ausführungen zu Pkt. 2 verwiesen.

Zu 6.:

Ja. Die Angaben der Religionszugehörigkeit sind von Bedeutung, wenn angegeben wird, vor Verfolgung geflohen zu sein oder in die Heimat nicht mehr zurückkehren zu können. Hier kann bestimmt werden, ob es die angegebenen Spannungen religiöser Art gab oder geben kann, ob also die Ausreisemotivation schlüssig erscheint oder die Rückkehr zumutbar ist oder nicht.

Zu 7.:

Mit Frage 9 des Fragebogens ist der Grund zum Verlassen des Heimatlandes zu beantworten.
Mit der Frage 22 ist die Reiseroute zu beschreiben. Frage 23 bezieht sich auf mögliche „Schlepper“.

Zu 8.:

Das BAMF ist zuständig für die Durchführung von Asylverfahren und die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes in Deutschland.

Die Ausländerbehörde stellt nur einen temporären Titel bzw. eine Ausreisepflicht fest. Welche Ansprüche die Personen leistungsrechtlich haben, muss jeweils im Sozialamt festgestellt werden. Dafür ist eine sehr detaillierte Prüfung mit einer entsprechenden umfangreichen Datenerhebung erforderlich, auf die nicht verzichtet werden kann.
Die Leistungshöhe, speziell die Prüfung der eingeschränkten Leistungen gem. §1a AsylbLG, hängen von den unterschiedlichen Einreisegründen und Umständen ab. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass nicht in allen nach § 1a AsylbLG zu prüfenden Fällen Asylanträge gestellt wurden.

Im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung arbeiten die einzelnen Behörden eigenständig.

Zu 9.:

Im Rahmen der Prüfung § 1a Nr. 2 AsylbLG kann die Ausländerakte zum Verlauf bzw. hinsichtlich der Aufforderung zu aufenthaltsbeendenden Maßnahmen Auskunft geben.

Zu 10.:

In diesem Zusammenhang wird auf den geltenden Datenschutz verwiesen. Bezüglich der Rechtsbelehrung wurde der Formulierungsvorschlag des Berliner Datenschutzbeauftragten berücksichtigt. Im Übrigen gelten die Mitwirkungspflichten und die Folgen bei fehlender Mitwirkungspflicht nach § 60 SGB I für jede*n Antragsteller*in und Leistungsbezieher*in nach dem AsylbLG, SGB XII sowie dem SGB II.

Zu 11.:

Das Bezirksamt vollzieht die Leistungsgewährung nach dem AsylblG unter Beachtung verwaltungsverfahrensrechtlicher Bestimmungen. Widersprüchliche Angaben sind vom Antragstellenden soweit aufzuklären, so dass Angaben zu demselben Sachverhalt bei unterschiedlichen Behörden kongruent und die Angaben insgesamt plausibel sind.

Zu 12.:

Fluchthelfer werden in der Berichterstattung oft mit Schlepper*innen oder Schleuser*innen gleichgesetzt, obwohl die Begriffe unterschiedliche Bedeutung haben:
Fluchthelfer*in ist die wertfreie Bezeichnung für jemanden, der andern zur Flucht verhilft. Geht es allerdings nicht um Hilfe, sondern vor allem um Profit, sind Schlepper*in oder Schleuser*in die angemessenen Bezeichnungen, da sie laut Duden jemanden beschreiben, der andere gegen Bezahlung illegal von einem Land in ein anderes bringt. Der juristische Begriff dafür lautet Menschenschmuggler, umgangssprachlich auch Schlepper*in genannt.
Soweit die Einreise ohne den sogenannten „Schlepper“ erfolgte, ist bei Frage 23 lediglich „nein“ anzukreuzen.

Zu 13.:

Nein. Ein standardisiertes Verfahren hinsichtlich der sich aus der DS-GVO ergebenen Informationspflichten wird derzeit entwickelt.

Zu 14.:

Unter Berücksichtigung der Empfehlung der Senatsverwaltung und der erfolgten Prüfung des Berliner Datenschutzbeauftragten ist eine grundlegende Überarbeitung des Fragebogens seitens des Sozialamtes Pankow nicht angedacht.
Die Anfrage wird jedoch als Anregung gewertet, das im Erklärungsbogen verwendete Wort des sogenannten „Schleppers“ durch das Wort, Menschenschmuggler*in zu korrigieren. Weiterhin wird der Fragebogen zeitnah um die Einverständniserklärung zur Datenvereinbarung (siehe Pkt 13) ergänzt.


Rona Tietje
Bezirksstadträtin