Umgang mit sog. »Gabenzäunen« in Pankow

Kleine Anfrage: KA-0786/VIII

BV Maximilian Schirmer, Linksfraktion

Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:

Von verschiedenen Initiativen wurde berichtet, das sog. »Gabenzäunen« an denen Bürger*innen spenden für Wohnungslose oder Bedürftige hinterlassen (z.B. an der Cantianstraße) entfernt wurden und die Spenden vollständig verschwunden sind.

Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:

  1. Ist dem Bezirksamt bekannt, dass solche »Gabenzäunen« abgeräumt wurden? Wenn ja von wem?
  2. Wie ist der allgemeine Umgang des Ordnungsdienstes mit diesen »Gabenzäunen«?
  3. Erkennt das Bezirksamt die »Gabenzäunen« als soziales Hilfsmittel zur Bewältigung der Coronakrise an?
  4. Welche Möglichkeiten zur Unterstützung solcher Angebote hat das Bezirksamt?

Antwort des Bezirksamts

Abt. Jugend, Wirtschaft und Soziales

Zu 1.:

Dem Ordnungsamt selbst war bis zum 01.04.2020 weder die Existenz noch die Beseitigung sog. »Gabenzäune« bekannt. Im konkret genannten Fall handelt es sich um den Zaun am Sportgelände Cantianstraße. Dieses befindet sich im Vermögen der Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Ein Abräumen des Zaunes erfolgte weder auf Anordnung noch mit Wissen des Bezirksamtes.

Darüber hinaus ist dem Bezirksamt ein »Gabenzaun« an der Schönhauser Allee vor der Kulturbrauerei bekannt. Kenntnisse darüber, wer die Gaben »abräumt«, liegen nicht vor. Das Streetworker-Team von Horizonte gGmbH informierte über einen weiteren Zaun am S-Bahnhof Pankow. Dort würden sich Obdachlose die Gaben entnehmen. Kenntnisse darüber, wer sich sonst noch an den Gabenzäunen bedient oder diese gar beräumt, liegen nicht vor.

Zu 2.:

Es gibt keine spezielle Auffassung/Dienstanweisung zu derartigen Sachverhalten.

Zu 3.:

An »Gabenzäunen« können von jedermann Sachspenden für obdachlose und andere hilfsbedürftige Menschen hinterlegt werden. Bei den Gaben handelt es sich insbesondere um Lebensmittel, Kleidung oder Schlafsäcke. Von den Anwohner*innen werden derartige Aktionen zwiespältig aufgenommen. Einige äußern sich positiv, andere sind aus Angst vor Belästigungen (Vermüllung, Hygiene, Lärm, Versammlung von Menschengruppen) dagegen.

Die gut gemeinten »Gabenzaun«-Initiativen verursachen zusätzliche Infektionsrisiken – gerade für Menschen, die aufgrund einer fehlenden Rückzugsmöglichkeit und ihren gesundheitlichen Problemen ohnehin schon ein höheres Risiko für Infektionserkrankungen tragen. Bei den Plastiktüten und Beuteln, die an den Zäunen hängen, ist nicht von außen ersichtlich, was sich darin befindet. Von daher müssen bedürftige Menschen zwangsläufig den Inhalt der Tüte »begutachten«. Ein gründliches Händewaschen ist danach meist nicht möglich.

Aus Infektionsschutzgründen hält es das Bezirksamt für problematisch, wenn Spenden ohne entsprechende desinfizierende Maßnahmen anonym weitergegeben werden. Für Lebensmittel hält es dies sogar für ausgeschlossen.

Auf der Seite des RKI heißt es: »Generell nimmt die Infektiosität von Coronaviren auf unbelebten Oberflächen in Abhängigkeit von Material und Umweltbedingungen wie Temperatur und Feuchtigkeit ab. Für SARS-CoV-1 konnte gezeigt werden, dass das Virus bis zu 6 Tage auf bestimmten Oberflächen infektiös bleibt [Rabenau 2005], jedoch auf z.B. Papier und andern porösen Materialien schon nach wesentlich kürzerer Zeit inaktiviert wird [Lai 2005].«1

Das Bezirksamt Pankow begrüßt die Bereitschaft großer Teile der Bevölkerung, in der aktuellen Situation Solidarität zu üben und anderen Menschen Hilfe zu leisten. Unter den oben genannten medizinischen Gesichtspunkten kann das Bezirksamt »Gabenzäune« dennoch nicht als geeignetes soziales Hilfsmittel zur Bewältigung der Coronakrise anerkennen.

Zu 4.:

Das Bezirksamt begrüßt das Engagement und jegliche Initiativen von Bürger*innen, etwas Gutes für die Gesellschaft tun zu wollen. Bei Angeboten im Rahmen von »Gabenzäunen« kann jedoch nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die gut gemeinten Spenden ohne Infektionsrisiko und ohne Hygieneprobleme dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden.

Daher wirbt das Bezirksamt darum, die Institutionen, die in Pankow in der Wohnungs- oder Obdachlosenhilfe aktiv sind, mit Spenden zu unterstützen. Wer spenden möchte, kann sich gern an professionelle Einrichtungen wenden, denn nur dort kann der gebotene Infektionsschutz gewährleistet werden. Das sind z. B.:

Berliner Stadtmission

Damit obdachlose Menschen auch in der Krise sicher versorgt werden können, hat die Berliner Stadtmission die Aktion #nothilfeberlin ins Leben gerufen. Ziel ist es dabei, täglich bis zu 2.000 Nothilfepäckchen für Bedürftige zu packen. Diese werden an elf Standorten verteilt. Wer spenden möchte, kann sich beispielsweise wenden an:

Barbara Breuer, Pressesprecherin Berliner Stadtmission
Telefon: 030 - 690 33 413, Mobil: 0151 - 129 17 353
E-Mail: breuer@berliner-stadtmission.de

Immanuel Beratung Prenzlauer Berg (Beratung + Leben) in der Dunckerstraße 32 / Zelterstraße 14, 10439 Berlin

Es gibt dort:

a) Eine Tagesstätte für Wohnungs-/Obdachlose: Die Tagesstätte des Sozialprojektes Prenzlauer Berg ist eine integrierte Einrichtung der Sozialen Dienste / Wohnungslosenhilfe im Bezirk Pankow von Berlin.
Die Tagesstätte gibt aktuell auch belegte Brote und kleine Notpakete aus. Zudem wird eine Suppe angeboten - unter Berücksichtigung der Hygiene- und Abstandsregeln. Die Arbeit musste wegen der Corona-Krise eingeschränkt werden. Die Tagesstätte ist zudem auch eine kleine Poststation. Hier geht die Post von ca. 150 Wohnungslosen ein, die keine Meldeadresse haben. https://beratung.immanuel.de/wo-wir-sind/berlin-prenzlauer-berg/tagesstaette/

b) und eine Allgemeine unabhängige Sozialberatung. Die Beratung ist offen für alle, aber auch Wohnungs- und Obdachlose werden hier unterstützt.
beratung.immanuel.de/fileadmin/user_upload/global/flyer/2018-08-15-immanuel-beratung-berlin-prenzlauer-berg-flyer-unabhaengige-sozialberatung.pdf

Café Treffpunkt der Heilsarmee in der Kuglerstraße

Die Heilsarmee ist an dem Standort seit 29 Jahren und hat von Dienstag bis Samstag geöffnet. Aktuell werden Sandwichs / belegte Brote rausgegeben, insbesondere, damit die Obdachlosen etwas für den Abend haben. Im Schnitt sind ungefähr 30 bis 40 Personen pro Tag anwesend.

Die Heilsarmee, Korps Prenzlauer Berg, Café Treffpunkt, Kuglerstraße 11, 10439 Berlin

www.heilsarmee.de/prenzlauerberg/ueber-uns.html

Mobile Beratung obdachloser Menschen in Pankow

Horizonte gGmbH, Oranienburger Straße 173-175, 13437 Berlin

Suppenküche der Franziskaner

Unter https://suppe.franziskaner.net/ werden Spendenmöglichkeiten angegeben.

Rona Tietje
Bezirksstadträtin


1 www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Reinigung_Desinfektion.html, abgerufen am 06.04.2020