Soziales Erhaltungsrecht für das Gebiet Danziger Straße Ost

27. Tagung der BVV

Drs. VIII-0983

Gemeinsamer Antrag der SPD-Fraktion und der Linksfraktion


Die BVV möge beschließen:

Die BVV Pankow ersucht das Bezirksamt, für das Quartier „Danziger Straße Ost“ mit der Umgrenzung Kniprodestraße, Conrad-Blenkle-Straße/Fritz-Riedel-Straße, Landsberger Allee, Danziger Straße eine soziale Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BauGB festzusetzen.

Für die Festsetzung sprechen der Ergebnisbericht „Prüfung der Voraussetzungen für den Erlass Sozialer Erhaltungsverordnungen nach § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BauGB für fünf Verdachtsgebiete im Bezirk Pankow von Berlin“ vom Juni 2017, der seither drastisch steigende Aufwertungsdruck sowie der städtebauliche Zusammenhang mit dem angrenzenden sozialen Erhaltungsgebietes Petersburger Straße im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

Begründung:

Im Juni 2017 wurde der Ergebnisbericht über die „Prüfung der Voraussetzungen für den Erlass Sozialer Erhaltungsverordnungen nach § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BauGB für fünf Verdachtsgebiete im Bezirk Pankow von Berlin“ vorgelegt. Die im Gutachten enthaltenen fachlichen Erkenntnisse und Ergebnisse bilden eine ausreichendende Grundlage, um die Anwendungsvoraussetzungen des sozialen Erhaltungsrechts als gegeben zu betrachten. In der Vorstellung im Ausschuss für Stadtentwicklung und Grünanlagen wurden die grundsätzlich vorliegenden Anwendungsvoraussetzungen ebenfalls dargelegt. Es wurde jedoch ausgeführt, dass das Gebiet mit nur ca. 1.000 Wohnungen zu klein für eine Festsetzung sei. Als weiteres Gegenargument wurde neben der Gebietsgröße vorgetragen, dass das Gebiet nicht im städtebaulichen Zusammenhang mit den anderen Gebieten des Bezirks Pankow stehen würde.

Der Bundesgesetzgeber sieht aber keine Mindestgröße für ein soziales Erhaltungsgebiet. In anderen Städten der Bundesrepublik wurden dementsprechend bereits kleinere soziale Erhaltungsgebiete festgesetzt.

Priorität muss an dieser Stelle aus Sicht der BVV Pankow der Schutz von 400 bis 600 verdrängungsgefährdeten Haushalten haben, da das Gutachten die Angewiesenheit der Menschen auf Einrichtungen im Quartier beschreibt sowie die enge Verbundenheit mit dem Quartier feststellt. Immerhin sind in etwa 50 % der Haushalte betroffen, so dass die Anwendung des sozialen Erhaltungsrechts angemessen, erforderlich und geeignet ist. Bei Nicht-Festsetzung ist folglich mit erheblichen Veränderungen und auch (städtebaulichen) Folgekosten zu rechnen. Der bestehende Quartierszusammenhang ginge verloren, während zugleich an anderer Stelle bezahlbarer Wohnraum in erheblichem Umfang zur Verfügung gestellt werden müsste.

Den Argumenten zur geringen Größe und zum nicht vorhandenen Zusammenhang mit anderen sozialen Erhaltungsgebieten ist entgegenzuhalten, dass das nur für den Bezirk Pankow zutrifft. Auf der anderen Seite der Landsberger Allee befindet sich im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ebenfalls ein soziales Erhaltungsgebiet, dass im Jahr 2018 verlängert wurde. Zu diesem Gebiet bestehen aufgrund der bezirklichen Randlage des Quartiers „Danziger Straße Ost“ enge Verbindungen, so dass nicht nur ein kartografischer Zusammenhang mit einem sozialen Erhaltungsgebiet besteht. Bei einer Bezirksgrenze überwindenden Sicht, die dem Arbeits-, Lebens- und Wohnrealitäten der Menschen entspricht, besteht also auch kein vermeintliches Größenhindernis mehr.

Gegenüber dem Jahr 2017 sind folgende Entwicklungen festzustellen, die klar belegen, dass die vorhandenen Potenziale des Quartiers verstärkt genutzt werden und ein erheblicher Aufwertungsdruck herrscht:

  • verstärkte Umwandlungstätigkeit im Quartier
  • drastisch steigende Neuvermietungsmiete
  • Ausstrahleffekte von neue Wohnbebauung
  • Umwandlung von Gewerbeflächen in Wohnraum
  • Verdrängung von Quartiers bezogenem kleinteiligen Gewerbe, z: B. Asia-Imbiss und Frisör werden durch Programmier- und ein Immobiliengeschäft ersetzt

Diese Prozesse sowie die im Gutachten bereits aufgeführten Entwicklungen haben auch Auswirkungen bis hinauf die gesamtstätische Ebene, so wurde das Quartier im aktuellen Berliner Mietspiegel von der Einstufung „einfach“ auf „mittel“ hochgestuft.

Ein Eigentümer hat zum Beispiel in den letzten drei Jahren mehrere Wohnungen vollständig modernisiert (Luxusmodernisierung), obwohl das gesamte Haus vor ca. 10 Jahren bereits vollständig modernisiert wurde (Bäder, Zentralheizung, Strangsanierung usw.). Neben den extremen Mietsteigerungen, die mit diesen Modernisierungen einhergehen (Verdopplung der Miete bei einem einzigen Mieterwechsel), sind solche unnötigen Modernisierungen sehr arbeits-, energie- und materialintensiv sind. Jede Modernisierung produziert einen großen Schuttberg und hohe Emissionen, die durch angemessene Instandhaltung oder sinnvolle Regulierung der Maßnahmen eingespart oder zumindest gesenkt werden könnten.

Im Folgenden werden noch einmal Kernaussagen des Gutachtens mit den Bestandteilen: Aufwertungspotenziale, Aufwertungsdruck, Verdrängungspotenziale sowie möglichen städtebaulichen Folgen zusammengestellt.

Im Gutachten heißt es zum Aufwertungspotenzial: „Im lokalen Wohnungsbestand gibt es zwar ein Aufwertungspotenzial, was u.a. der hohe Anteil Kleinwohnungen und Wohnungen mit einfacher Ausstattung sowie die hohe Quote an Modernisierungswünschen der Mieter zeigt. Der faktisch vorhandene Bestand potenziell aufwertungs- oder umwandlungsfähiger Wohnungen in privater Verfügbarkeit beschränkt sich jedoch auf nur rund 1.000 Wohneinheiten. Hier werden kostenaufwendige, mietumlagefähige Wertverbesserungsmaßnahmen, Veränderung der Wohnungsgrundrisse und Zusammenlegung von Wohnungen, Dachausbauten, Abriss-Neubau-Vorhaben sowie die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen potentiell für möglich gehalten.“

Aufwertungsdruck und Aufwertungspotenzial werden weiter beschrieben: „Die Vor-Ort-Aufnahmen deuten somit zusammenfassend darauf hin, dass augenscheinlich im Untersuchungsgebiet Danziger Straße Ost ein Aufwertungspotenzial nur für vereinzelte Bereiche vorliegt und ein Aufwertungsdruck vorhanden ist, jedoch weniger stark ausgeprägt erscheint als in den anderen Untersuchungsgebieten. Gleichwohl sind die Verkaufsaktivitäten in den letzten 10 Jahren insgesamt als sehr rege zu beurteilen mit weit überdurchschnittlichen Raten gegenüber den anderen Untersuchungsgebieten und der Gesamtstadt.“

Der im Gutachten von 2017 deutlich nachgewiesene zunehmende Verwertungsdruck im Gebiet Danziger Straße Ost (6,2 Prozent Verkaufsrate im Gebiet) führt auch bei anderen Häusern dazu, dass Eigentümer Maßnahmen zur Aufwertung durchführen, die nicht an sozialen und ökologischen, sondern rein an ökonomischen Maßstäben ausgerichtet sind.

Und weiter zur Gebietsentwicklung: „Das Gebiet Danziger Straße Ost, unweit hochattraktiver Wohnquartiere im Ortsteil Prenzlauer Berg, stellt ein lagegünstiges und sehr gut erschlossenes Wohngebiet dar. Es konnten rege aktuelle Bautätigkeiten im Wohnungsbestand – insbesondere in den Siedlungsbeständen – festgestellt werden. Zudem gab es bereits eine hohe Umwandlungs und Verkaufsquote in den vergangenen zehn Jahren, die auf ausgeprägte Dynamiken im lokalen Wohnungsmarkt hindeuten. Auch konnten hinsichtlich der demographischen Entwicklung und der Veränderung der sozialstrukturellen Zusammensetzung durch Zuzüge Tendenzen von „soziale Aufwertungsprozessen“ beobachtet werden. In dem Gebiet fehlen jedoch typische gewerbliche und symbolische Aufwertungsprozesse.“ Diese typischen gewerblichen und symbolischen Aufwertungsprozesse sind nunmehr festzustellen und nehmen zu, wie weiter oben beschrieben.

Zur Situation der Haushalte heißt es: „Weiterhin sind als besonders verdrängungsgefährdet die Haushalte anzusehen, die zum Lebensunterhalt staatliche Transferleistungen (25%) beziehen, erwerbslose Personen (27%) und Haushalte, deren Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze (10%) liegt. Darüber hinaus ist auf den Wohnungsbestand des Untersuchungsgebiets besonders die Stammbevölkerung angewiesen, die aufgrund einer langen Wohndauer besonders starke sozialräumliche Bindungen hat (47%). Diese Bevölkerungsteile sind nach den Ergebnissen der Haushaltsbefragung auf die lokalen Einrichtungen und Angebote der sozialen Infrastruktur in besonderem Maße angewiesen. Wegen der geringen Größe des Untersuchungsgebiets Danziger Straße Ost und des geringen Bestands an privaten, potentiell aufwertungsfähigen Wohnungen, der überschlägig nur ca. 1.000 Wohneinheiten umfasst, dürfte jedoch das Potential verdrängungsgefährdeter Haushalte lediglich in der Größenordnung von 400 bis 600 Haushalten liegen.“

Anhaltspunkte für einen Aufwertungsdruck bestehen durch aktuelle Modernisierungs,- und Instandsetzungsmaßnahmen im östlichen Teil des Gebiets. Die Vor-Ort-Aufnahmen deuten somit zusammenfassend darauf hin, dass augenscheinlich im Untersuchungsgebiet Danziger Straße Ost ein Aufwertungspotenzial nur für vereinzelte Bereiche vorliegt und ein Aufwertungsdruck vorhanden ist, jedoch weniger stark ausgeprägt erscheint als in den anderen Untersuchungsgebieten.

Insgesamt liegen somit die Voraussetzungen für eine Festsetzung eines sozialen Erhaltungsgebietes vor. Die Anwendung des sozialen Erhaltungsrechts ist angemessen, erforderlich und geeignet, um die Aufwertungs- und Verdrängungsprozesse im Sinne des § 1 und des S 172 zu steuern.