Thierses scheinheilige Wortmeldung

SPD trägt Mitverantwortung an der Verdrängung von Mietern

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Thierse fordert jetzt den Schutz von Mietern im Kollwitzviertel gegen drohende Verdrängung. Dazu erklärt der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Linksfraktion Pankow, Thomas Goetzke:

Für Wolfgang Thierse galt Verdrängung von Mietern in seiner Nachbarschaft jahrelang als linke Propaganda – ebenso das Phänomen der „Gentrifizierung“.

Was wir in den letzten Jahren an sozialer Verdrängung in den Gründerzeitquartieren des Prenzlauer Berg und jetzt bei den 60er-Jahre-Wohnbauten an der Belforter Straße erleben müssen, ist das Ergebnis von 15 Jahren sozial blinder Stadterneuerungspolitik. Die Berliner SPD und auch Wolfgang Thierse tragen eine Mitverantwortung für die heutige Bedrohung der Mieter, weil sie auf eine Aufwertungsstrategie zur Mobilisierung privaten Kapitals setzten, ohne die erforderlichen und von vielen geforderten Gegenmaßnahmen zum Schutz der angestammten, einkommensschwachen Mieterschaft zu treffen.

Herr Thierse hat in der Vergangenheit persönlich jede Kritik der Linken an dieser sozialdemokratischen Politik zurückgewiesen. Noch vor 12 Monaten, als der Pankower Baustadtrat Michail Nelken (Die Linke) anlässlich der Aufhebung des Sanierungsgebiets Kollwitzplatz wegen des erheblichen sozialen Verdrängungsdrucks die Jubelbilanz der sozialdemokratischen Senatorin Junge-Reyer kritisierte, hat Thierse ihn als linken Miesmacher bezeichnet, der die Erfolge schlecht reden wolle.

Wenn heute Herr Thierse glaubt, den Baustadtrat dafür zu schelten können, dass er die sozialen Folgen sozialdemokratischer Stadterneuerungs- und Baupolitik nicht mit einem Bebauungsplan ausgleicht, ist das nicht nur vergesslich und scheinheilig, sondern zeugt vor allem von komplett fehlender Sachkenntnis. Mit B-Plänen lassen sich weder sozial verträgliche Mieten noch der Erhalt der in der Diskussion stehenden drei Wohnblöcke beschließen. Nicht den bedrängten Nachbarn gilt jetzt wohl seine Sorge, sondern den Wahlchancen der SPD.

Wolfgang Thierse und seine Genossen haben das bundesdeutsche Bau- und das Mietrecht auf die Bedürfnisse der Kapitalverwertung zurechtgestutzt, so dass wir ihre heutigen Klagen so lange scheinheilig nennen, bis sie sich von ihrer bisherigen neoliberalen Bau- und Wohnungspolitik in der Praxis abwenden.