Bruder Johannes im Ruhestand

Michael van der Meer

Von der 30. Tagung der BVV

Am 23. Februar endete die Amtszeit von Sozialstadtrat Johannes Lehmann (SPD). Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) wählte ihn auf ihrer 30. Tagung ab. Sie zog damit den Schlußstrich unter die sich seit Monaten zuspitzenden Auseinandersetzungen – mit Stimmen aus allen Fraktionen, denn lediglich vier Bezirksverordnete votierten dagegen. Die SPD stemmte sich nicht länger gegen eine Abwahl.

Immer stärker war Stadtrat Lehmann in die Kritik geraten (extraDrei berichtete mehrfach). Schon seit langem forderte die BVV eine Umsetzung ihrer Beschlüsse, ohne sichtbares Ergebnis. Bis heute besteht keine Strukturplanung für soziale Angebote im Bezirk. Gegen die Haushaltsbeschlüsse der BVV wurden Senioren-einrichtungen abgewickelt und soziale Angebote freier Träger reduziert.

Wie die BVV heute weiß, wurden in großem Umfang grundlegende Verwaltungsvorschriften und Auflagenbeschlüsse im Verantwortungsbereich des Sozialstadtrates schlicht ignoriert. Offenbar war »Bruder Johannes«, wie ihn ob seiner Unbedarftheit die Verordneten schon spöttelnd nannten, mit den Leitungsaufgaben eines Stadtrats deutlich überfordert. Inzwischen sind Fehlsteuerungen entstanden, die aus unterlassenem Verwaltungshandeln den Bezirksetat mit einem zusätzlichen Defizit von mehreren Millionen Euro belasten. Die elektronische Aktenführung, auf deren Grundlage dem Bezirk seine Sozialausgaben erstattet werden, unterblieb in einer Vielzahl von Fällen, teils sogar systematisch auf Weisung des Stadtrats.

Schwerer wiegt bald das derzeit in der Abteilung entstandene Flickwerk, nach dem – für den Stadtrat offensichtlich überraschend – ein Teil der Mitarbeiter in die ArGe (JobCenter) wechselte. Völlig ungeklärt scheinen die Zuständigkeiten; statt dessen gibt es eine vielgliedrige Leitungs-struktur.

Inzwischen tauchten an dreißigtausend »heimatlose« Akten auf, die nach diversen Struktur-veränderungen und dem Weggang von Mitarbeitern hinterlassen wurden. Es hat also nicht nur Unterlassungen in der elektronischen Bearbeitung von Sozialhilfeleistungen gegeben.

In Verantwortung des Bezirksbürgermeisters Burkhard Kleinert (PDS) hat nun eine gesonderte Arbeitsgruppe begonnen, die Aktenvorgänge zu ordnen und einer Bearbeitung zuzuführen, vermutet wird ein Zusammenhang von fünf- bis siebentausend Leistungsempfängern.

Voraussichtlich auf ihrer 31. Tagung am 23. März wird die BVV über einen neuen Personalvorschlag der SPD für das Stadtratsamt zu entscheiden haben. Fest steht schon jetzt: Bruder Johannes hat seiner inzwischen nominierten Nachfolgerin eine äußerst schwere Hypothek hinterlassen.

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