Pankow will haushalten

Michael van der Meer

extraDrei sprach mit Michael van der Meer, Vorsitzender der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Pankow, über den am 23. September in der BVV beschlossenen Haushalt 2010/2011


Artikel 20 b im Grundgesetz sagt: »Der Staat schützt und fördert die Kultur«. Wird sie in Pankow mit diesem Haushalt zertrümmert oder täuscht der Schein?

Schein und Sein liegen hier schon nahe beieinander, wobei sich SPD und Grüne in der BVV jetzt sogar zu schmücken versuchen, im Haushalt für 2010/11 viel für die Kultur »nachgelegt« zu haben. Nur ist das ein kleiner Schritt zurück, ein etwas weniger Kürzen, als sie im begonnenen Kahlschlag versucht haben. Der Kulturetat bleibt der am stärksten von Kürzungen betroffene Teil im Haushaltsplan. Erst im Zuge der Haushaltsbeschlussfassung der BVV wurde das vor allem aufgrund der großen öffentlichen Proteste etwas abgemildert.

Der Senat hat nach Protesten den Bezirken mehr Geld gegeben. Pankow erhält davon fast 11 Millionen Euro. Nur davon ist im Kulturbereich im Unterschied zu anderen Ressorts nichts angekommen. Warum?

»Das Bezirksamt spricht mit einer Stimme«, was aber nicht heißt, dass es seine Beschlüsse auch einstimmig fasst. Das Bezirksamt hat einen Paradigmenwechsel vollzogen, Kultur und Bildung sollen nicht länger zu Lasten anderer Aufgaben subventioniert werden. Und so hat das Bezirksamt mit Mehrheit entschieden, der »Besserstellung« der Kultur ein Ende zu setzen. Die Verwaltung soll es besser haben, mehr Ordnung auf den Straßen sein. Das Bezirksamt will sich auf die Behördenpflichten zurückziehen.

Wer hat denn von dem »Senatsnachschlag« profitiert?

Die Erhöhung der Globalen Zuweisung erfolgte sehr zielgenau mit konkreten Zweckbindungen und diese hat das Bezirksamt artig umgesetzt. Dennoch sind Pankow daraus lange nicht mehr gekannte Spielräume für eine eigene Schwerpunktsetzung ermöglicht worden. Die hat das Bezirksamt vorrangig genutzt, um Kürzungen im Bereich der Verwaltung, des Ordnungs- und des Sozialamts zurückzunehmen. Jetzt sollten endlich mal die anderen Abteilungen begünstigt werden. Auffallend war der Bogen, den die zusätzlichen Mittel um die von LINKE-Stadträten verantworteten Ressorts machten.

Will man in Pankow wirklich den kulturellen Kahlschlag oder geht es den anderen Parteien vielmehr darum, den verantwortlichen Stadtrat der LINKEN zu demontieren, indem man ihm den schwarzen Peter für diese unverantwortliche Politik zuschiebt?

Diesem Eindruck konnte man sich in den letzten Monaten nicht entziehen. Beharrlich forderten Grüne, CDU und SPD in allen Haushaltsberatungen vom Kulturstadtrat, die vom Bezirksamt vorgesehenen Kürzungen endlich zu untersetzen, den Kulturetat zusammenzustreichen. Selbst Bürgermeister Köhne (SPD) postulierte öffentlich, Stadtrat Nelken würde sich seiner verantwortungsvollen Haushaltspolitik verweigern.

Ist damit die Zählgemeinschaft zwischen LINKEN und SPD in der BVV beendet? Welche Konsequenzen hat dies zukünftig für den Bezirk einerseits und Deine Partei?

Das ist weniger dramatisch. Die Zählgemeinschaft bestand ja nur zur Wahl des Bürgermeisters, darüber haben sich die Gemeinsamkeiten auch bald erschöpft. Natürlich stehen wir in der BVV trotz des geltenden Proporzprinzips im Licht oder Schatten der rot-roten Koalition auf Landesebene. Aber auf der Ebene der Bezirkspolitik nehmen die grundsätzlichen Differenzen zur SPD unübersehbar zu. Und das Buhlen von SPD und Grünen umeinander nimmt zuweilen groteske Züge an. Zum Glück ist der Wahlkampf ja vollbracht, auch wenn nicht alle dabei glücklich wurden.

Die rechnerische Mehrheit, die SPD und LINKE im Bezirksamt haben, trägt nicht mehr. Das stärkt die Rolle der Bezirksverordneten, es ist Sache der BVV, die nötigen Korrekturen an Fehlentscheidungen des Bezirksamtes vorzunehmen. Das ist ja nun gerade auch bei der Haushaltsbeschlussfassung geschehen. Es ist nicht unbedingt der bequemere Weg und er erforderte deutlich mehr Geschlossenheit der Linksfraktion. Aber er bietet der LINKEN viel mehr Chancen zur Durchsetzung auch wirklich linker Politik.

Kulturstadtrat Nelken will das Kulturareal Thälmannpark erhalten. Die angestammten Projekte sollen nicht durch ebenfalls wichtige Kulturprojekte, die aus dem Eliashof raus müssen, verdrängt werden. Ist der Bezirk bei der Lösung des Konflikts mittlerweile einen Schritt weiter?

Wäre es nach der SPD gegangen, hätten wir ab Januar kaum noch Einrichtungen im Thälmannpark, ihr Haushaltsantrag sah die Streichung der Personalmittel vor. Das war eine weitere deutliche Ansage, mehr nicht. Eine Lösung dieses inszenierten Konflikts »Freie Träger versus Amtskultur« steht noch aus. Fest steht nur, dass aus dem EliasHof ein Schulstandort werden soll, in dem die Kulturprojekte keinen Platz mehr finden, es auch für die Musikschule eng wird.

Wie hat DIE LINKE sich in den Haushaltsverhandlungen verhalten und habt ihr dem Haushaltsentwurf des Bezirksamts in der BVV zugestimmt?

Eine große Hilfe waren uns die öffentlichen Proteste der Kulturszene, die uns in unseren Positionen stärkten. Die SPD hatte zuletzt versucht, ihre Kulturkompetenz durch dramatische Erhöhungen von Ausgaben im Bereich der Honorare und Sachausgaben zu beweisen, wollte das allerdings durch einen extremen Stellenabbau sowie die »Aufgabe« zahlreicher Immobilien gegenfinanziert sehen. Das wollten auch die Grünen, doch reichte es nicht für eine Mehrheit in der BVV.

Letztlich konnte sich die Linksfraktion mit ihrer Forderung durchsetzen, die unmäßigen Kürzungen vor allem bei Kultur und Bildung zurückzunehmen. Schließlich korrigierte die BVV den Haushaltsentwurf des Bezirksamts erheblich auch auf der Ausgabenseite: für Musikschullehrer, für Honorarmittel der Volkshochschule, für freie Kunstförderung, für Bestandserwerb und Ausstattung der Bibliotheken, für bezirkliche Geschichtsarbeit, für Projektangebote der freien Träger im Bereich Soziales, für Mieterberatung in Milieuschutzgebieten, für Wirtschaftsförderung.

Der so geänderte Haushaltsentwurf fand eine breite Mehrheit in der BVV, mit den Stimmen der Linksfraktion. Dennoch breitet sich keine Zufriedenheit aus, denn unter den wirtschaftlichen Bedingungen des Landes fehlen weiterhin notwendige Mittel in fast allen Bereichen. Aber es ist eine enorme Erleichterung und ein großer Erfolg, dass Pankow dank hartnäckiger Unterstützung der LINKEN auf Landesebene im Doppelhaushalt 2010/11 keine zusätzlichen Konsolidierungslasten erbringen soll, Pankow über seine Haushaltsmittel erstmals wieder vollständig verfügen können wird.

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